Samstag, 12. September 2020

Friedrich Hölderlin als Philosoph


Vor 250 Jahren, am 20. März 1770, in Lauffen am Neckar geboren, wuchs Hölderin in einem pietistisch geprägten Umfeld auf. Während des Theologiestudium am Tübinger Stift schloss er Freundschaft mit Hegel und Schelling und bildete mit ihnen einen intellektuellen Bund. Angesteckt vom Geist der Französischen Revolution träumten sie vom Aufbruch in eine neue Epoche. "Dann herrscht allgemeine Freiheit und Gleichheit der Geister!" heißt es in dem gemeinsam verfassten Text als einem frühen Geistesfunken, der als "das älteste Systemprogramm deutschen Idealismus" in die Philosophiegeschichte einging.

Zum allgemeinen Horizont von Hölderlins Werken gehören ihre deutlich hervortretenden theologischheilsgeschichtlichen Voraussetzungen, die geschichtliche Dimensionierung der Theodizee, ferner die Wandlung des geschichtsphilosophischen Denkens von Vokal= über Herder bis Hegel und das sich bereits abzeichnende Ende der Geschichtsphilosophie in der nachidealistischen Epoche des 19. Jahrhunderts. Ihr spezieller historischer Ort ist derjenige der idealistischen Geistphilosophie. Für sie ist die Geschichte die Selbstverwirklichung des Geistes und die Geschichtsbetrachtung selbst, wie Hegel wiederholt betont, eine säkulare Form der Theodizee, welche den denkenden Geist mit dem Negativen in der Geschichte versöhnt.

Fundamental ist ein entschieden teleologisches Denken, dem sich Geschichte noch nicht resignativ, wie später für Jacob Burckhardt, auf bloße Kontinuität reduziert, und erst recht nicht, wie für Goethe, als ein „Gewebe von Unsinn für den höheren Denker" und als eine „ungeheure Empirie" darbietet, deren Ungeheures in einem jede Sinnwahrnehmung obstruierenden Pluralismus weitgehend isolierter, jedenfalls aber sich nicht in eine Gesamtordnung fügender Geschehnisse liegt; ein teleologisches Denken, das sich vielmehr gerade angesichts der säkularen Skepsis und auch des scharfen Bruchs, den das epochale Ereignis der Französischen Revolution für das historische Bewußtsein bedeutete, bei Hölderlin noch einmal in einer äußersten Anstrengung artikuliert.

Die Kreise der drei begabten Studenten trennten sich Abschluß des Theologiestudium am Tübinger Stift und sollten sich später an anderer Stelle wiederfinden. Von November 1794 bis Mai/Juni 1795 hielt sich Hölderlin in Jena auf, wo er Fichtes Vorlesungen hörte. Die Auseinandersetzung mit Fichtes Denken mündete in eine grundsatzphilosophische Skizze, die in der Großen Stuttgarter Hölderlin Ausgabe den Titel »Urteil und Sein« trägt.

Für Kant und Fichte galt der Primat der praktischen Philosophie, der Ethik, für Hölderlin ist die Ästhetik die Königsdisziplin der Philosophie. Bei den Vorbereitungen zu einer literarischen Zeitschrift (das Projekt scheiterte) entfaltet Hölderlin seine Ästhetik und Poetologie in mehreren Manuskripten in systematischer Form. Diese sog. Homburger Fragmente entstanden im Jahre 1799. Grundlegend für diese Fragmente war Hölderlins Lehre vom Wechsel der Töne. Hölderlin scheint dabei Schillers Unterscheidung von naiver und sentimentalischer Dichtung weiterentwickeln zu wollen.

In dem Fragment »Über den Unterschied der Dichtarten« legte Hölderlin seine Auffassung von der Tragödie als höchster Gattung dar. Der Text »Über die Verfahrungsweise des poetischen Geistes« stellte das umfangreichste der Fragmente Hölderlins dar; es ist nicht nur ein poetologischer, sondern auch ein metaphysisch-spekulativer Text, der das Thema der notwendigen Vereinigung von Subjekt und Objekt im Sein variiert und zum Ausgangspunkt einer differenzierten Ästhetik und Poetik macht.

Hölderlin hat kein einziges seiner philosophischen Manuskripte ausgearbeitet und veröffentlicht. Dennoch übte er einen großen Einfluss auf seine Studienfreunde Schelling und Hegel aus. Von beiden war er als philosophischer Gesprächspartner anerkannt. Von 1797 bis 1800 war er Hegels philosophischer Mentor. So war seine Vereinigungsphilosophie war von großer Bedeutung für die Dialektik Hegels.



Weblink:

Hölderlin-Matinee - "Ach! Der Menge gefällt, was auf den Marktplatz taugt." - www.mdr.de

Hölderlin-Gesellschaft

Hölderlinturm

Die Hölderlin-Gesellschaft e.V. ist eine internationale literarische Gesellschaft mit Sitz im Hölderlinturm in Tübingen. Ihr Ziel ist es, „das Verständnis für das Werk Friedrich Hölderlins zu vertiefen und die Erforschung und Darstellung seines Werkes, seines Lebens und seiner Zeit zu fördern.

Sie wurde ursprünglich 1943 in Tübingen gegründet und nahm ihre heutige Form in den Jahren 1946/1947 an. Im Auftrag der Stadt verwaltete sie bis 2017 das Museum im Hölderlinturm mit einer ständigen Ausstellung zu Hölderlins Leben, wechselnden Ausstellungen zeitgenössischer Künstler mit Bezug zu Hölderlin.

Die Gesellschaft veranstaltet regelmäßig Lesungen und Autorenlesungen, Vorträge und Konzerte, gelegentlich Seminare in Zusammenarbeit mit der Universität Tübingen und alle zwei Jahre mehrtägige Jahresversammlungen in Tübingen und anderen Städten mit Vorträgen und Arbeitsgruppen. Sie arbeitet eng mit dem Hölderlin-Archiv an der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart zusammen, fördert wissenschaftliche Ausgaben von Hölderlins Werken und gibt ein Jahrbuch und weitere Schriften und Schriftenreihen zur Hölderlin-Forschung und -Rezeption heraus.[1]

Die Hölderlin-Gesellschaft hat knapp 900 Mitglieder in aller Welt[2]. Präsident ist der Oldenburger Philosophie-Professor Johann Kreuzer, Geschäftsführerin ist Eva Ehrenfeld.

Quelle: Wilipedia https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6lderlin-Gesellschaft

Weblinks:

Hölderlin-Gesellschaft

Hölderlinturm

Samstag, 5. September 2020

Friedrich Hölderlin und seine Zeit


Hölderlin litt von Kindheit an, ähnlich wie Schiller, darunter, dem Landesherrn unmittelbar unterstellt zu sein, denn auch seine Eltern hatten ihn auf Klosterschulen geschickt und sich von diesem für ihren begabten Sohn ein Studium finanzieren lassen, verbunden mit der Verpflichtung, ihm dann später zu dienen, hier der Theologie und als Pfarrer.

Eigentlich sollte Friedrich Hölderlin Pfarrer werden. Die fromme Mutter drängt den Jungen zur Theologie. Doch im Stift zu Tübingen rebelliert er gegen die strenge Disziplin ebenso wie gegen die herrschende Willkür im Land. Die Revolution in Frankreich 1789 hallt auch in die Enge der Tübinger Gemäuer.

»Ich duld es nimmer! ewig und ewig so/Die Knabenschritte, wie ein Gekerkerter/Die kurzen, vorgemeßnen Schritte/Täglich zu wandeln, ich duld es nimmer!«

Friedrich Hölderlin

Um Hölderlin zu verstehen, begreift man ihn am besten als Kind seiner Zeit. Es war eine Zeit des Übergangs. Als die französischen Revolutionäre die Bastille stürmten, war Hölderlin 19 Jahre alt. Wie viele junge Deutsche schwärmte auch er von den Verheißungen der Freiheit. Doch die Begeisterung kippte bald in blankes Entsetzen. Die Französische Revolution mündete in eine Schreckensherrschaft – und schließlich im Krieg.

Um die Epochenwende 1800 sind es vor allem zwei Ereignisse, die für diese Epoche prägend sind und in ihr wie über sie hinaus nachhaltige Wirkung erzeugten: zum einen die Französische Revolution – zum anderen die Revolutionierung der Denkungsart durch die kritische Philosophie Kants. Nicht zu vergessen sind die Grundlagen der Industrialisierung, für die in dieser Zeit stellvertretend die Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt steht.

Die durch das Datum der Französischen Revolution entfachte Begeisterung klingt bei Hölderlin zunächst so wieder: "Ich glaube an eine künftige Revolution der Gesinnungen und Vorstellungsarten, die alles bisherige schaamroth machen wird." (Brief an J.G. Ebel vom 10. Jan. 1797). Knapp drei Jahre später folgt die realgeschichtliche Ernüchterung auf dem Fuß. Im November 1799 spricht Hölderlin (wieder in einem Brief an Ebel) von "der allmächtigen alles beherrschenden Noth" und endet mit: "Glüklich sind wir dann, wenn uns noch eine andere Hofnung bleibt! Wie finden Sie denn die neue Generation, in der Welt, die Sie umgiebt?"

Es war diese epochale Spannung zwischen revolutionärer Begeisterung und realgeschichtlicher Ernüchterung, in der die Denkanstöße aufgenommen wurden, die von Kants kritischer Philosophie und deren Forcierung durch Fichte ausgingen. Hölderlin gehört hier zusammen mit den beiden anderen Tübinger Stiftlern – dem 2020er Mitjubilar Hegel und mit Schelling – zu den prägendsten Akteuren.

Beredtes (und berühmtes) Zeugnis des Gesprächs zwischen den dreien ist das sogenannte "Älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus." Hier findet sich (in Hegels Handschrift) die zur Sprache drängende Überzeugung formuliert, daß der "höchste Akt der Vernunft ein ästhetischer Akt" sei. Der "Philosoph" bedürfe "ästhetischen Sinn". Die "Poësie" bekomme dadurch "eine höhere Würde", sie "allein" werde "alle übrigen Wissenschaften und Künste überleben."

Damit ist der Doppelanspruch formuliert, der für Hölderlins Werk grundlegend geworden und geblieben ist: was "Dichtung" ist und sich als poetische Sprache mitteilt, erfolgt in Augenhöhe mit den avanciertesten Formen philosophischer Reflexion. Hatte schon Kant festgehalten, daß es "eigentlich die Dichtkunst ist, in welcher sich das Vermögen ästhetischer Ideen in seinem ganzen Maße" zeigt, so setzt Hölderlin das in poetische Sprachwirklichkeit um.
Friedrich Hölderlin, dessen 250. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird, war glühender Republikaner, für den die Französische Revolution, die er im Alter von 19 Jahren erlebte, ein Erweckungserlebnis war, welches für sein ganzes Leben bestimmend blieb.

Weblink:

Hölderlins "poetisches Geschäfft" - www.forschung-und-lehre.de