Samstag, 21. Dezember 2019

Hölderlin als Hauslehrer in Waltershausen in der südlichen Rhön

Schloss Waltershausen




Von Dezember 1793 bis Dezember 1794 lebte Hölderlin in dem beschaulichen kleinen Ort Waltershausen in der südlichen Rhön und arbeitete dort als Hauslehrer. Schiller vermittelte ihm eine Hauslehreranstellung bei seiner Freundin Charlotte von Kalb in Waltershausen im Grabfeld, jedoch verlor er diese kurz darauf, da es ihm wohl an gewisser Strenge als Lehrer gemangelt hat.

In den letzten Dezembertagen des Jahres 1793 trat Hölderlin, dreiundzwanzigjährig, die Stelle eines Hofmeisters im fränkischen Waltershausen an. Zu seinen Obliegenheiten gehörte die Erziehung und Ausbildung des Sprösslings der Familie von Kalb. Wie sich sehr rasch herausstellte, ein enervierender Fall, der nicht sonderlich fruchtete, wenn überhaupt davon die Rede sein kann. Nach einem Jahr gab er die Stelle auf.

Seine Verehrung Schillers zog ihn nach Jena. Die Schlossherrin Charlotte von Kalb, geborene Marschalk von Ostheim (1761-1843) hielt sich seit Monaten in Jena auf. Angeblich hatte sie Hölderlin dem Waltershäuser Schlosspersonal, Ehemann vermutlich inbegriffen, nicht angekündigt. Der Problematische, um das Missraten etwas abzuschwächen, sollte seinem Hofmeister „keine ruhige Stunde“ bereiten.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Januar 1795 siedelte Hölderlin nach Jena über. Der freie Ton, der an der dortigen Universität herrschte, zog viele Professoren und Studenten an. Er studierte bei Fichte, verkehrte mit Schiller und Goethe und traf auf Bekannte aus Tübingen: Immanuel Niethammer und Isaac von Sinclair.

Nach nur fünf Monaten verließ er Jena überraschend, warum, ist bis heute ungeklärt. Er ging von Jean zurück in die Heimat nach Nürtingen.

Weblink:

Waltershausen und Jena - www.hoelderlin-gesellschaft.de




Samstag, 30. November 2019

»Hölderlins Geister« - ein überfälliges Buch

Hölderlins Geister
Hölderlins Geister


Friedrich Hölderlin hat mit seiner Dichtung zahlreiche Geister ganz unterschiedlicher Coleur heraufbeschworen, die immer wieder versucht haben, den Dichter für sich zu vereinnahmen und für ihre Zwecke politisch zu instrumentalisieren.

Der Autor tastet sich in seiner Biografie über eine Vielzahl an bedeutenden Philosophen, Schriftstellern und Literaturwissenschaftlern an den bekannten, weitgehend aber doch unbekannte Dichter heran. Er bricht mit Mythen und schenkt dem Leser einen breiten wie tiefen Einblick in sein Leben und Werk, indem er einen Bogen von der Unterstellung eines Verrückten bis zum revolutionären Dichter spannt. Mit Otts Buch "Hölderlins Geister", wird man zum lernenden Leser.

Hölderlin wurde sowohl von rechts (George, Heidegger und Nazivordenker) als auch von links (Sozialismus, 68er-Bewegung) vereinnahmt, nach eigenem Gutdünken umgebogen und letztlich schwer missbraucht wurde, doch Hölderlin lässt sich nicht auf bestimmte Positionen reduzieren und politisch vereinnahmen.

Wie konnte er Karriere am deutschen (Geistes-) Geisterhimmel machen? Das fragt man sich allerdings nicht nur bei Hölderlin. Warum sich also mit ihm befassen? - Weil wir alle ein bisschen Hölderlin sind? Um das zu erkennen und uns selber unter diesem heiteren Verdacht besser im Auge zu behalten? - »Wir und Hölderlin«, das meint Ott wohl. Für diese Fragestellung hat er in diesem Buch eine produktive Form, eine diesem Erkenntnisinteresse gemäße, differenzierte Sprache gefunden.

Gerade wegen unserer Sehnsucht nach Orientierung und Führung, sind wir ermahnt, den „Ausweg aus der eigenen Unmündigkeit“ für uns selber zu finden.

Es gibt dabei sicher schlauere Geister mit besserer Orientierung, mehr Wissen, stärkerem Wollen, sichererem Urteil, mehr Erfahrung, die als „Hauslehrer“ in Frage kämen. Aber zu ihnen gehört nach Ott Hölderlin wohl nicht. Auch wenn sein vertrauter Umgang mit den Göttern den Eindruck erweckt, müssten aber doch gewisse Kompetenzen vorliegen.

Wenn wir jetzt aus allen Teilen der Welt hören: wir Kindswürger und Mordbrenner seien Barbaren, Nachfahren der alten Hunnen […], dann fühlen wir guten Deutschen das Bedürfnis, uns vor den Feinden – denn was haben wir sonst – ins rechte Licht zu setzen, weisen das Ausland schüchtern darauf hin, daß wir doch eigentlich im Grunde das Volk Goethes seien.

Otts leichtverständlicher, flüssiger und oft witzig-ironischer Schreibstil darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich »Hölderlins Geister« an einen akademisch vorgebildeten Leserkreis wendet und für Einsteiger nicht geeignet ist.

Literatur:;

Hölderlins Geister
Hölderlins Geister
von Karl-Heinz Ott

Freitag, 29. November 2019

»Hölderlins Geister« - Rezensionsnotiz in der NZZ

Hölderlins Geister
Hölderlins Geister
von Karl-Heinz Ott

Rezensionsnotiz in der »Neuen Zürcher Zeitung« vom 29.11.2019

Roman Bucheli sieht mit einiger Freude zu, wie Karl-Heinz Ott sich grimmig an den Hölderlin-Verehrern und -Verbiegern von Jünger bis Jakobson abarbeitet. Wie der Autor alle Dezenz fahren lässt und Hölderlins Exegeten und Apologeten sowie dem Leser seinen Zettelkasten "an den Kopf" knallt, scheint Bucheli durchaus lesenswert.

Otts gesammelter Unsinn aus den Schriftkammern der Nazis und des George-Kreises, von Heidegger und den französischen Dekonstruktivisten trifft laut Bucheli allerdings auch den Dichter selber. Der nämlich, so Bucheli, so Ott, hat die Fährten gut gelegt. Ein ungerechter Totalverrriss, über den man grübeln und sich schön ärgern kann, warnt und lockt der Rezensent.

Freitag, 15. November 2019

»Hölderlins Geister« - Rezensionsnotiz in der SZ

Hölderlins Geister
Hölderlins Geister
von Karl-Heinz Ott

Rezensionsnotiz in der »Süddeutschen Zeitung« vom 15.11.2019

Helmut Böttiger lauscht Karl-Heinz Otts Plädoyer für eine sprachmelodische Einlassung auf Hölderlin anstelle des ewigen "ideologischen Gegrapsches". Beipflichten mag er dem Autor, wenn dieser mit Ironie und Gelehrsamkeit essayistisch, assoziativ an Hölderlin kratzt, ihn lustvoll dekonstruiert und seine Wirkungsgeschichte nachzeichnet, vor allem in Person Martin Heideggers. Denkmoden der vergangenen Jahrzehnte treten laut Böttiger dabei zutage, Tübinger Genrebilder und nicht zuletzt des Tübinger Meisters "poetische Antriebskraft".

Samstag, 26. Oktober 2019

»Hölderlins Geister« von Karl-Heinz Ott

Hölderlins Geister
Hölderlins Geister

Karl-Heinz Ott, 1957 in Ehingen an der Donau geboren, wurde für sein Werk mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises (1999), dem Alemannischen Literaturpreis (2005), dem Preis der LiteraTour Nord (2006), dem Johann-Peter-Hebel-Preis (2012) und dem Wolfgang-Koeppen-Preis (2014). Karl-Heinz Ott gilt als profunder Kenner von Friedrich Hölderlin.

Der Autor tastet sich in seiner Biografie über eine Vielzahl an bedeutenden Philosophen, Schriftstellern und Literaturwissenschaftlern an den bekannten, weitgehend aber doch unbekannte Dichter heran. Er bricht mit Mythen und schenkt dem Leser einen breiten wie tiefen Einblick in sein Leben und Werk, indem er einen Bogen von der Unterstellung eines Verrückten bis zum revolutionären Dichter spannt. Mit Otts Buch "Hölderlins Geister", wird man zum lernenden Leser.

Karl-Heinz Ott gliedert die ca. 235 Seiten in fünf größere Kapitel, die ihrerseits wieder mehrere kurze Unterabschnitte beherbergen, die teils nur wenige Zeilen zu einem bestimmten Thema enthalten. Diese lockere assoziativ-essayistische Bauweise lässt sich sehr gut lesen, man kann eigentlich fast überall im Buch einsteigen und findet immer Stoff zum Nachdenken oder weiteren Nachschlagen (bzw. Googeln).

Zahlreich sind die Querverweise besonders auf philosophische Themen, da ja gerade in diesem Bereich Hölderlin sowohl von rechts (George, Heidegger und Nazivordenker) als auch von links (Sozialismus, 68er-Bewegung) vereinnahmt, nach eigenem Gutdünken umgebogen und letztlich schwer missbraucht wurde, doch Hölderlin lässt sich nicht auf bestimmte Positionen reduzieren und politisch vereinnahmen.

Überhaupt liegt der Schwerpunkt von Otts Betrachtungen auf Hölderlins zwiespältigem Verhältnis zur Philosophie seiner Tage (besonders zu der seiner Stiftskameraden Hegel und Schelling), sowie seiner eigenwilligen Rezeption der griechischen Antike. Hier geht Ott durchaus zu Recht kritisch mit dem Jubilar und seiner merkwürdigen Verquickung von Antikem und Christlichem ins Gericht.

Hölderlin war eben kein Philosoph, aktiver Weltverbesserer oder gar politischer Vordenker und taugt somit nicht als Ahnherr irgendwelcher späterer Denk- oder Gesellschaftssysteme, egal welcher Couleur. Letztendlich bleibt für uns heutige Menschen Hölderlins großartige Behandlung der deutschen Sprache, seine ungebändigte, nur schwer logisch oder gar akademisch zu deutende visionäre poetische Kraft: ein genialer Dichter- nicht weniger, aber auch nicht mehr.


Dies flüssig und fundiert darzustellen und dabei eine Fülle wertvoller Denkanstöße zu geben, gelingt dem Autor ausgezeichnet, auch wenn sich Etliches im Verlaufe des Buches wiederholt und man manchmal das Gefühl einer allzu frei zwischen den Themen hin- und hergleitenden Schreibweise hat. Amüsant und wohltuend ist dabei der zumeist milde Spott, mit dem Ott die wortmächtigen Verfechter einer vorgeblich „reinen“, in Wahrheit jedoch zutiefst ideologisch gefärbten Hölderlin-Exegese überzieht.

Otts leichtverständlicher, flüssiger und oft witzig-ironischer Schreibstil darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich „Hölderlins Geister“ an einen akademisch vorgebildeten Leserkreis wendet und für Einsteiger nicht geeignet ist.

Literatur:;

Hölderlins Geister
Hölderlins Geister
von Karl-Heinz Ott

Samstag, 17. August 2019

Hölderlins Wanderung zu den Gleichbergen

Gleichberge

Zwei gewaltige gleichförmige Basaltkegel, welche sich aus der umliegenden Landschaft emporheben, dominieren weithin die thüringisch-fränkische Grabfeldlandschaft.

Die beiden Gleichberge nahe der Kleinstadt Römhild, auch Zwillingsberge genannt, ziehen alljährlich viele Natur-und Wanderfreunde in ihren Bann, auf den Spuren eines berühmten Dichters.

Im August 1794 bestieg der Dichter die Gleichberge und notierte tags darauf, wie bezaubernd der Blick nach Süden sei, wo er am Horizont sein liebes Schwaben wähnte.

"So studirt’ ich am liebsten die Geographie der beiden Halbkugeln, wenn es sein müsst."

Von Dezember 1793 bis Dezember 1794 lebte Hölderlin als Hauslehrer in dem beschaulichen kleinen Ort Waltershausen in der südlichen Rhön. Schiller hatte ihm diese Stelle bei Charlotte von Kalb vermittelt. Seit 1986 ist das Schloss Waltershausen in Privatbesitz.

Sonntag, 14. Juli 2019

Hölderlin und die Französische Revolution


Hölderlin war zutiefst inspiriert von den humanistischen Gedanken der Französischen Revolution und ihren Idealen einer freien und gleichen Gesellschaft, die er sich auch für Deutschland wünschte. Hölderlin war ein glühender Republikaner, für den die Französische Revolution, die er mit 19 erlebte, ein Erweckungserlebnis war, das für sein ganzes Leben bestimmend blieb.

Die durch das Datum der Französischen Revolution entfachte Begeisterung klang bei Hölderlin im Jahr 1797 zunächst so: "Ich glaube an eine künftige Revolution der Gesinnungen und Vorstellungsarten, die alles bisherige schaamroth machen wird." (Brief an J.G. Ebel vom 10. Jan. 1797).

Seine anfängliche Begeisterung für die Französische Revolution wich jedoch nach drei Jahren der Ernüchterung. Im November 1799 sprach Hölderlin (wieder in einem Brief an Ebel) von "der allmächtigen alles beherrschenden Noth" und endet mit: "Glüklich sind wir dann, wenn uns noch eine andere Hofnung bleibt! Wie finden Sie denn die neue Generation, in der Welt, die Sie umgiebt?"

Samstag, 18. Mai 2019

Hölderlins Wanderung zum Großen Gleichberg

Gleichberge

Zwei gewaltige gleichförmige Basaltkegel, welche sich aus der umliegenden Landschaft emporheben, dominieren weithin die thüringisch-fränkische Grabfeldlandschaft.

Die beiden Gleichberge nahe der Kleinstadt Römhild, auch Zwillingsberge genannt, ziehen alljährlich viele Natur-und Wanderfreunde in ihren Bann, doch fehlen manchmal Orientierungshilfen.

Gleichamberg – »Die Sonne glänzt, es blühen die Gefilde, die Tage kommen blütenreich und milde ...“, so heißt es in dem Frühlingsgedicht Der Frühling von Friedrich Hölderlin.

Im Frühjahr 1794 wanderte Friedrich Hölderlin vom fränkischen Waltershausen aus durch den Milzgrund zum Großen Gleichberg.

Von Dezember 1793 bis Dezember 1794 lebte Hölderlin als Hauslehrer in dem beschaulichen kleinen Ort Waltershausen in der südlichen Rhön. Schiller hatte ihm diese Stelle bei Charlotte von Kalb vermittelt. Seit 1986 ist das Schloss Waltershausen in Privatbesitz.