
Friedrich Hölderlin hatte ein schwieriges Verhältnis zu seinem deutschen Vaterland und so mangelt es auch nicht gerade an Deutschen-Schelte in seiner Lyrik. 
Aus dem »Hyperion«: 
"So kam ich unter die Deutschen. Ich forderte nicht viel und war gefaßt, noch weniger zu finden. [...] Barbaren von Alters her, ..."
Hölderlin drängte es aus der Enge der bürgerlichen Konvention in die ferne Welt hinaus. Er sehnte sich nach einer Harmonie zwischen Mensch und Natur, wie er sie in einem idealisierten Bild des alten Griechenland erblickte und für die Zukunft wieder erhoffte.
Tief unzufrieden mit der unpoetischen, amusischen Gesinnung seiner deutschen Geschwister (»So kam ich unter die Deutschen. (...) Barbaren von Alters her, durch Fleiß und Wissenschaft barbarischer geworden, tiefunfähig jedes göttlichen Gefühls, verdorben bis ins Mark«) träumte er sich lieber als hellenischer Musenjünger im Gedankenaustausch mit einem nur in seiner Phantasie existierenden Freunde - Bellarmin.
Wenn wir jetzt aus allen Teilen der Welt hören: wir Kindswürger und Mordbrenner seien Barbaren, Nachfahren der alten Hunnen […], dann fühlen wir guten Deutschen das Bedürfnis, uns vor den Feinden – denn was haben wir sonst – ins rechte Licht zu setzen, weisen das Ausland schüchtern darauf hin, daß wir doch eigentlich im Grunde das Volk Goethes seien.
Hölderlin war kein Philosoph, aktiver Weltverbesserer oder gar politischer Vordenker und taugt somit nicht als Ahnherr irgendwelcher späterer Denk- oder Gesellschaftssysteme, egal welcher Couleur. Letztendlich bleibt für uns heutige Menschen Hölderlins großartige Behandlung der deutschen Sprache, seine ungebändigte, nur schwer logisch oder gar akademisch zu deutende visionäre poetische Kraft: Ein genialer Dichter- nicht weniger, aber auch nicht mehr. 
»Ich sage dir: es ist nichts Heiliges, was nicht entheiligt, 
nicht zum ärmlichen Behelf herabgewürdigt ist bei diesem Volk.«
Friedrich Hölderlin: Hyperion an Bellarmin (1797) 
In seinem Vortrag 
»Hölderlin und die Deutschen«(1915) sprach Norbert von Hellingrath, der Wiederentdecker Friedrich Hölderlins, von der „Doppelgesichtigkeit“ des deutschen Volks, die gerade jetzt, inmitten des Krieges, wieder besonders stark  hervorzutreten scheine und für die vor allem Hölderlin einen besonderen  Blick gehabt habe (Hellingrath 1922, S. 38). 
Hellingrath hatte an der Universität München Germanistik studiert und 1909 in der Stuttgarter  Bibliothek bisher unbekannte späte Hymnen und Pindar-Übertragungen  Hölderlins entdeckt. Durch Vermittlung seines Freundes Karl Wolfskehl  kam er ins Gespräch mit Stefan George, der ihm ermöglichte, seine spektakulären Funde in den 
Blättern für die Kunst zu veröffentlichen.
1912 begann Hellingrath mit der Herausgabe einer Hölderlin-Werkausgabe, deren erster Band im Jahr darauf erschien. Ihre  Wirkung auf die literarische und wissenschaftliche Welt war  außerordentlich. Ein bis dahin nur als Nebenfigur der Literaturgeschichte betrachteter Autor wurde mit einem Schlage als einer der bedeutendsten deutschen Dichter erkannt – wofür es in der deutschen  Kulturgeschichte wohl nur eine Parallele gibt: die Wiederentdeckung  Johann Sebastian Bachs durch Felix Mendelssohns Aufführung der 
Matthäus-Passion im Jahre 1829. 
George erhob Hölderlin zu einem seiner ästhetischen  Ahnherren und nahm Hellingrath in seinen Kreis auf. Ausgerechnet im Tumult des Krieges gelangten Hölderlins späte Gedichte und Fragmente ans Licht und bewegten die akademische Jugend so stark, dass sie nach den Worten von Klaus Mann glaubte, für ein „hölderlinsche[s] Deutschland […]  sterben zu müssen“(Mann 1992, S. 199).
Der 1914 zum Kriegsdienst eingezogene Hellingrath kehrte  im Frühjahr 1915 wegen eines Reitunfalls von der Front heim nach München. Hier hielt er in Anwesenheit unter anderem von Wolfskehl und Rainer Maria Rilke zwei Hölderlin-Vorträge, ehe er ins Feld zurückkehrte – und in der Schlacht um Verdun am 14. Dezember 1916, erst achtundzwanzigjährig, fiel. In seiner Rede 
»Hölderlin und die Deutschen«stellt er die Entdeckung Hölderlins vor den Hintergrund der antideutschen Kriegspropaganda: 
Wenn wir jetzt aus allen Teilen der Welt hören: wir Kindswürger und Mordbrenner seien Barbaren, Nachfahren der alten Hunnen […], dann fühlen wir guten Deutschen das Bedürfnis, uns vor den Feinden – denn was haben wir sonst – ins rechte Licht zu setzen, weisen das  Ausland schüchtern darauf hin, daß wir doch eigentlich im Grunde das  Volk Goethes seien.
Dies sei ein Beleg dafür, dass die Deutschen keine  stabile Selbsteinschätzung kennen, „ihres eigenen Selbstgefühls nicht  sicher sind, wenn sie es nicht vom Mund der Nachbarn ablesen können“ – seien sie doch nun einmal unter den europäischen Nationen  Emporkömmlinge, die sich üblicherweise nach dem Urteil der anderen  richten.
Hellingrath verweist nun auf die „seltsame Doppelheit,  die Wesen und Rätsel des Deutschen ist“, die „Doppelgesichtigkeit unseres Volkes“. Hier taucht eine Formel auf, die für den George-Kreis und sein Deutschland-Bild bis ins Dritte Reich prägend sein wird und für  die bei Hellingrath der Name Hölderlins steht: Der Kern des „deutschen Wesens“ trete lediglich „in einem 
geheimen Deutschland zutage“,  nämlich „in Werken, die immer nur ganz wenigen ihr Geheimnis  anvertrauen, ja den meisten Nicht-Deutschen wohl nie zugänglich sind“.  Sei Johann Wolfgang Goethe von seiner sozialen Herkunft und schließlich  erreichten Lebensstellung her der wahre Repräsentant eines der  gebildeten Mehrheit zugänglichen Deutschland, so sei der sozial immer am  Rande stehende Hölderlin der Künder jenes „geheimen Reiches“, das sich nur wenigen erschließt (wie etwa den Mitgliedern des ungenannten George-Kreises). Entsprechend gibt es für Hellingrath nicht nur das  „Volk Goethes“, sondern auch – unter der Oberfläche, im Innern des Landes – das „Volk Hölderlins“ (Hellingrath 1922, S. 15ff).
Hellingrath kontrastiert Hölderlins Gedichte und  Fragmente, die um dieses innere Deutschland kreisen, mit der „berühmten  Strafrede des Hyperion“ gegen die Deutschen, „die ihm [Hölderlin] selbst  gewiß noch weher getan hat als den Lesern, denn er hatte es erlebt, und  dieser Zorn ist eben ein heller Widerschein seiner glühenden Liebe für  das unglückliche Vaterland“ (ebd., S. 36). In Hyperions Brief an  Bellarmin drückt sich nach Hellingrath der „Zusammenstoß“ des geheimen  mit dem wirklichen Deutschland aus, „das damals nicht viel anders war  als heute“ (ebd.). 
In seiner Strafpredigt – einer der schärfsten, die je  gegen die Deutschen gerichtet wurde – vermisst der Protagonist in  Hölderlins 
Hyperion bei letzteren gerade das, was die deutschen  „Dichter und Denker“ des späten 18. Jahrhunderts – Immanuel Kant und Friedrich Schiller zumal – in den Mittelpunkt ihres Denkens gestellt  haben: die Interesselosigkeit des Schönen, die auf den ganzen Menschen  zielende Bildung statt der Abrichtung auf zweck-, nutz- und fachbestimmte Fertigkeiten. Hyperions Rede, aus der einige Kernstellen  zitiert seien, lesen sich wie ein Gegenbrief zu Schillers Briefen 
Über die ästhetische Erziehung des Menschen mit ihrer Autonomieerklärung und Ganzheitsbestimmung des Menschen.
Weblink: 
Barbaren von Alters her? - Friedrich Hölderlin und die Deutschen - www.lieraturkritik.de