Montag, 20. März 2023

Hölderlins Leben


Hölderlin war ein begabter junger Dichter mit überragendem Talent und hohen Ambitionen, der zur falschen Zeit im falschen Land gelebt hat. Wer keine Förderer und Gönner im Leben gefunden hat - wie die Dichter Herder, Wieland, Goethe und Schiller am Fürstenhof in Weimar, von seinem Landesherren vertrieben wurde, sich als Hauslehrer verdingen musste und zu allem Überfluß auch noch unglücklich in eine Bankiersgattin verliebte, der kann im Grunde nur noch tragisch - wie Kleist - enden.

Hölderlins Werk lässt sich, ebenso wenig wie das von Heinrich von Kleist, in eine Schublade stecken. Er lebte und schrieb, als die später als Weimarer Klassik und Romantik bezeichneten Literaturgattungen en vogue waren. Doch entwickelte er, unabhängig von allen zeitlichen Einflüssen, seinen ganz eigenen, unverkennbaren Stil. Doch wäre es nach seiner Mutter gegangen, wäre Hölderlin Pfarrer geworden.

Ihr zuliebe studierte er zwar Theologie, wollte aber keine kirchliche Laufbahn einschlagen, sondern verdingte sich als Hauslehrer von Kindern reicher Familien. Hölderlin hatte das Vergnügen, regelmäßigen Umgang mit der geistigen Elite seiner Zeit zu pflegen. Er schloss während des Studiums Freundschaft mit Hegel und Schelling, hatte Kontakte zu Goethe, Schiller und Friedrich von Hardenberg (Novalis). Mit dem Diplomaten und Schriftsteller Isaac von Sinclair war er befreundet und teilte sich mit ihm für kurze Zeit ein Gartenhäuschen in Jena.

Friedrich Hölderlin, dessen 250. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern, war glühender Republikaner, für den die Französische Revolution, die er mit 19 erlebte, ein Erweckungserlebnis war, das für sein ganzes Leben bestimmend blieb.

Er litt von Kindheit an, ähnlich wie Schiller, darunter, dem Landesherrn unmittelbar unterstellt zu sein, denn seine Eltern hatten ihn auf Klosterschulen geschickt (Hölderlin) und sich von diesem für ihren begabten Sohn ein Studium finanzieren lassen (beide), verbunden mit der Verpflichtung, ihm dann später zu dienen, hier der Theologie und als Pfarrer.

Er liebt (oder träumt zu lieben?) die Gemahlin eines Banciers in Frankfurt ("Susette Gontard" alias "Diotima"), in dessen Hause er als privater Hauslehrer arbeitet. Sie ist seiner idealisierenden Liebe nicht abgeneigt, verweigert jedoch aus bürgerlicher Sicherheitssucht die Scheidung. So wird er entlassen und muss am Ende bis nach Bordeaux gehen, um eine neue Anstellung zu finden.

Sein eigener Geist ließ ihn jedoch im Stich. Er war Ende 20, als er zunehmend ein Verhalten an den Tag legte, das Menschen, die sich als normal betrachten, als seltsam bezeichnen würden. 1795 etwa kehrte er der Stadt Jena überstürzt den Rücken, wohl aus der Angst heraus, sein großes Vorbild Schiller enttäuscht zu haben. Er fühlte sich ihm gegenüber in die Rolle des hilflosen Schülers versetzt. Verwirrt und mit Zeichen der Verwahrlosung kehrte er zurück zu seiner Mutter nach Nürtingen.

Wenig später wurde ihm die Diagnose einer schweren Hypochondrie gestellt. 1802 erhielt er eine Anstellung als Hauslehrer in Bordeaux, kehrte aber bereits nach wenigen Monaten aus ungeklärten Gründen und wiederum in verwirrtem Zustand zurück.

Mit seinem eigenartigen Verhalten eckte Hölderlin zunehmend an. Gegen seinen Willen wurde er schließlich 1806 ins Universitätsklinikum Tübingen eingeliefert. Es ist wahrscheinlich, dass der Dichter an einer Schizophrenie litt, eine Erkrankung, die zur damaligen Zeit noch gar nicht in den Psychiatrie-Lehrbüchern beschrieben war. Diagnostiziert wurde ihm eine „Manie als Nachkrankheit der Krätze“. Viel über die Behandlung, die er in der Klinik erfuhr, ist heute nicht bekannt, es ist aber davon auszugehen, dass sie seiner Gesundheit eher abträglich war. Ein Jahr später hieß es, Hölderlin sei „unheilbar“ und werde wohl nur noch wenige Jahre zu leben haben.

Da hatte der Arzt die Rechnung ohne den Dichter gemacht. Hölderlin kam in Pflege zur Familie des Tübinger Tischlers Ernst Zimmer, der dessen Briefroman „Hyperion“ bewunderte. Im Kreis dieser Familie fühlte sich der Poet offenbar wohl. Er begann wieder zu schreiben, spielte Klavier und erhielt des Öfteren Besuch in seinem Zimmer im Turm. Ganze 36 Jahre lebte Hölderlin bei den Zimmers, ehe er am 7. Juni 1843 im Alter von 73 Jahren ohne Anzeichen einer körperlichen Erkrankung starb.

Die Zweifel, die Literaturwissenschaftler lange Zeit an der Qualität des Hölderlin’schen Spätwerks hegten, sind mittlerweile zum Glück ausgeräumt. Vielmehr belegen aktuelle Forschungen die hohe Qualität seines Schaffens in der zweiten Hälfte des Lebens.

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