Samstag, 20. August 2022
Hölderlin-Zitat
Samstag, 6. August 2022
Hölderlins Hymne »Patmos« - Interpretation (K)
Dort, wo die Heimat keine Hoffnung geben kann, muss die Antike als Ersatz für das Pathos dienen. Hölderlin beginnt die Patmos-Hymne mit mystischem Pathos: Gott ist nah, näher als alles andere, denn wir sind untrennbare Teile des Allgegenwärtigen. Sein Schöpfungsplan entfaltet sich vor unseren Augen, und dennoch ist dieser göttliche Plan schwer zu fassen, da der Mensch immer eine beschränkte Sicht hat. Deshalb ist Offenbarung notwendig, wie einst auf Patmos. Die heute offenbar werdenden Zeichen bestätigen die damalige Offenbarung und weisen auf große Prüfungen hin, doch: »Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch.«
Die Offenbarungen sind mittlerweile vorhanden, und die Zeiten spitzen sich zu: Die „Gipfel der Zeit“ sind nun „gehäuft“. Wohin man blickt, in allen Himmelsrichtungen („rings“), häufen sich die Zeichen der sich erfüllenden Offenbarungen („da gehäuft sind rings/ Die Gipfel der Zeit“). Doch leider werden diese Offenbarungen nicht erkannt und die Zeichen deshalb nicht richtig gedeutet. Wenn die ringsum gehäuften Gipfel des Westens und Ostens, Nordens und Südens nicht verbunden und im Gesamtbild gesehen werden, verlieren die einzelnen Offenbarungen (die Offenbarungen aller Kulturen) ihre Kraft („ermattend auf/ Getrenntesten Bergen“). Dies droht zu geschehen, wenn nichts Ent-scheidendes diese Scheidung der Gipfel überwindet, und deshalb bittet der Dichter um göttliche Hilfe.
Die Gefahr, die göttlichen Zeichen zu verkennen, muß der Mensch in seinem eigenen Leben durch leicht/lichtgebaute Brücken überwinden, um seine persönliche Aufgabe in der „Finsternis“ zu erkennen. Je größer die Gefahr ist, desto größer wird auch die entsprechende Hilfe . Gerade deshalb schreibt Hölderlin »Wo Gefahr ist, wächst/ Das Rettende«.
Dies ist insbesondere in der gegenwärtigen Phase der Menschheitsgeschichte gültig, da sich ein großer zyklischer Kreis schließt („da gehäuft sind rings [ringsum]/ Die Gipfel der Zeit“). Nah sind nun die großen Umwälzungen. Man beachte, daß das Anfangswort des Gedichtes – „Nah“ – in der elften Zeile in der gleichen Hervorhebung (in Großschreibung am Zeilenanfang) wiederholt wird. Nah ist Gott, und nah ist auch das gottgewollte Ende der Finsternis, das angekündigt wird durch die prophetischen Gottgesandten. Sie, die „Liebsten“, sind heute alle ebenfalls nah, weil die Erfüllung ihrer Prophezeiungen naht.
(Gott und Seine Liebsten leben in liebender Einheit, die symbolisch dargestellt wird durch die kongruente Wiederholung des Wortes „Nah“, gespiegelt über die Achse, die sechste Zeile, in der sich die „Adler“ befinden. Sie sind es, die Gottes Nähe und die Nähe der Liebsten erkennen und deren getrennte Offenbarungen über die Abgründe von Finsternis und Zeit hinweg verbinden. Diese verbindende Funktion der furchtlosen Adler wird versinnbildlicht durch die zentrale Stellung der „Adler“-Zeile zwischen den beiden „Nah“-Zeilen, die sich auf „Gott“ und auf „die Liebsten“ beziehen.)
Gerade jetzt, wo die Zeit sich zuspitzt und die „Liebsten/ Nah wohnen …“, ist das Rettende angesichts der wachsenden Gefahr besonders notwendig. Der Dichter erbittet dieses Rettende in Form von zwei Hilfen, die er in mystischer Verschlüsselung als „unschuldig Wasser“ und „Fittige“ umschreibt. „Unschuldig Wasser“ bezieht sich auf das reine Bewußtsein, das direkt aus der Quelle fließt und die Quelle mit dem Meer verbindet, d. h. die Trennung überwindet. Die Flügel sind, wie bereits erwähnt, die Brücken, die aus der Finsternis hinaus und über den Abgrund hinweg führen.
Mit diesen Gottesgaben des Wassers und der Flügel wird es möglich sein, zu den einzelnen Gipfeln der Zeit „hinüberzugehn und wiederzukehrn“ und die Offenbarungen im Gesamtbild richtig („treuesten Sinns“) zu verstehen, ohne sie zu verfälschen. Dies ist auch das Anliegen des Autors im vorliegenden Buch, denn die von Gott gewährte Einsicht ist das wahrhaft Rettende, das uns vor jeglicher Gefahr bewahrt.
Weblink:
Hölderlins Hymne Patmos - Armin Risi
Samstag, 23. Juli 2022
Hölderlin war eine tragische Figur
Friedrich Hölderlin war eine tragische Figur, dessen Schicksal von dem Niedergang eines gebrochenen Mannes kündet.
Ab Juni 1804, nach der Rückkehr aus Bordeaux und einem schwierigen Aufenthalt in Nürtingen, lebte Hölderlin erneut in Homburg, Sinclair hatte ihm eine - von Sinclair selbst bezahlte - Stelle als Hofbibliothekar verschafft. Politische Wirren um die Neuordnung Europas, eine Verleumdungsklage gegen Sinclair wegen Hochverrats und die zunehmende Labilität Hölderlins verkomplizierten die Situation.
Am 11. September 1806 wurde Hölderlin gegen seinen Willen nach Tübingen in die Autenriethsche Klinik gebracht.
Friedrich Hölderlin kam ab 1807 zur Pflege bei der Tübinger Tischlerfamilie Ernst Zimmers.
In den letzten 36 Jahren lebte er in deren Haus in einer Teestube oberhalb des Neckartals, heute als Hölderlinturm bekannt.
Misshandlungen während der 231-tägigen Zwangsbehandlung im Krankenhaus, der von Autenrieth geleiteten Klapse, führten dazu, daß Hölderlin danach ein zum psychischen Krüppel Geschlagener war. Einer, der sich in sich zurückzog, mit der Außenwelt nicht mehr oder kaum noch kommunizierte. Keinesfalls aber war Hölderlin ein Umnachteter, Schwachsinniger.
Enttäuscht von den Idealen der Französischen Revolution, gezeichnet von der Gesundheit und von Schicksalschlägen getroffen, zog er sich in einen Turm am Neckarufer zurück. Seit seinem 32. Lebensjahr lebte der gedankenvolle Dichter Hölderlin in geistiger Umnachtung.
Friedrich Hölderlin (1770 - 1843) gilt heute zwar als einer der größten deutschen Dichter, erlebte diese Geltung jedoch vor seinem Tode nicht. Sozusagen "entdeckt" wurde er - wie auch Friedrich Nietzsche - erst nach dem Ersten Weltkrieg, also erst beinahe achtzig Jahre nach seinem Sterben. "Manche Menschen werden posthum geboren." (O-Ton Nietzsche).
Samstag, 16. Juli 2022
»Der Sommer« von Friedrich Hölderlin
Das Erntefeld erscheint, auf Höhen schimmert
Der hellen Wolke Pracht, indes am weiten Himmel
In stiller Nacht die Zahl der Sterne flimmert,
Groß ist und weit von Wolken das Gewimmel.
Die Pfade gehn entfernter hin, der Menschen Leben,
Es zeiget sich auf Meeren unverborgen,
Der Sonne Tag ist zu der Menschen Streben
Ein hohes Bild, und golden glänzt der Morgen.
Mit neuen Farben ist geschmückt der Gärten Breite,
Der Mensch verwundert sich, daß sein Bemühn gelinget,
Was er mit Tugend schafft, und was er hoch vollbringet,
Es steht mit der Vergangenheit in prächtigem Geleite.
»Der Sommer« von Friedrich Hölderlin
Video:
Friedrich Hölderlin: Der Sommer - Youtube
Sonntag, 3. Juli 2022
Wilhelm Waiblingers Treffen mit Friedrich Hölderlin
![Wilhelm Waiblinger](https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/d/d6/Wilhelm_Waiblinger.jpg/220px-Wilhelm_Waiblinger.jpg)
Am 3. Juli 1822 traf Wilhelm Waiblinger erstmals den damals bereits seit anderthalb Jahrzehnten als wahnsinnig geltenden Dichter Friedrich Hölderlin im Hölderlinturm zu Tübingen, bei dem er während seiner gesamten Studienzeit häufiger Gast war.
Diese Begegnungen verarbeitete er zunächst in seinem Roman »Phaeton« (1823), der ihm unter den Studenten enorm viel Bewunderung einbrachte; zudem war auch sein Gedicht-Zyklus »Lieder der Griechen« in den Handel gekommen. Später porträtierte er Hölderlin in seinem Essay »Friedrich Hölderlin’s Leben, Dichtung und Wahnsinn«, der als Beginn der Hölderlin-Forschung gilt.
Wilhelm Waiblinger war der erste Biograf Hölderlins. Waiblinger, der Hölderlin mehrmals in Tübingen besucht hat, ihn auch zu Spaziergängen und in ein von ihm gemietetes Gartenhaus einlud – freilich nicht ohne eigennützige Hintergedanken. Waiblinger wollte einen Roman über einen wahnsinnigen Künstler schreiben und Hölderlin sollte ihm hierfür als Vorlage dienen.
Das Vorgehen und die Schilderungen Waiblingers von Hölderlins vermeintlichem geistigen Zustand haben freilich etwas von einem Bild-Reporter. Waiblinger behauptete zum Beispiel, Hölderlin habe keinen Gedanken mehr entwickeln können.
Samstag, 25. Juni 2022
Friedrich Hölderlins Spätwerk
Während sich die Wissenschaft mit Erfolg um Hölderlins Bedeutung in der Geschichte des deutschen Idealismus bis zur Jahrhundertwende bemüht, d. h. in der Zeit, in welcher der›Hyperion<, der >Empedokles< und die theoretischen Schriften entstanden, blieben die Jahre nach 1800 und damit das überragende lyrische Spätwerk weitgehend außerhalb des philosophischen und historischen Fragehorizonts. Lyrik, mochte sie von noch so hoher geistiger Intensität zeugen, schien trotz der gerade bei Hölderlin schon immer naheliegenden Einsicht in den inneren Zusammenhang von Denken und Dichten in kein Kontinuum der Reflexion und in keinen systematisch beschreibbaren Horizont integrierbar. Das hatte nicht nur zur Folge, daß das Spätwerk in dieser Hinsicht beinahe eine terra incognita blieb; man glaubte auch Erkenntnisse, die sich aus der Analyse des früheren Werks ergaben, einfach auf das spätere übertragen und es im übrigen vernachlässigen zu können. Nicht zuletzt ging so die Frage nach einer möglichen weiteren Entwicklung
von Hölderlins dichterischem Denken fast verloren — nach einer Entwicklung, die sich doch für die ebenfalls nur knapp bemessenen Schaffensjahre vor der Jahrhundertwende klar abzeichnete.
Samstag, 18. Juni 2022
Friedrich Hölderlin und die poetische Kraft der Verwandlung (E)
Was Hölderlin als Dichter auszeichnet, ist seine ungeheuere Kraft der poetischen Verwandlung, fremde Welten in Poesie zu verwandeln und dem Leser in seiner Dichtkunst nahezubringen.
Hölderlin verwandelt durch seine Phantasie Traumwelten in Dichtung. Seine Traumwelten sind räumliche Fluchten aus der Realiltät des damaligen Herzogtums Württemberg.
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