Samstag, 22. Juni 2024

»Hyperions Schicksalslied« von Friedrich Hölderlin


Hyperions Schicksalslied

Ihr wandelt droben im Licht
Auf weichem Boden, selige Genien!
Glanzende Götterlüfte
Rühren euch leicht,
Wie die Finger der Künstlerin
Heilige Saiten.

Schicksallos, wie der schlafende
Säugling, atmen die Himmlischen;
Keusch bewahrt
In bescheidener Knospe,
Blühet ewig
Ihnen der Geist,
Und die seligen Augen
Blicken in stiller
Ewiger Klarheit.

Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer

Stunde zur andern,
Wie Wasser Voll Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahr lang ins Ungewisse hinab.


Hyperion, der rückschauend seinem deutschen Freund Bellarmin von seinem Leben berichtet, wächst in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Südgriechenland im Frieden der Natur auf. Sein weiser Lehrer Adamas führt ihn in die Heroenwelt des Plutarch, dann in das Zauberland der griechischen Götter und begeistert ihn für die griechische Vergangenheit.

Hölderlin drängte es aus der Enge der bürgerlichen Konvention in die ferne Welt hinaus. Er sehnte sich nach einer Harmonie zwischen Mensch und Natur, wie er sie in einem idealisierten Bild des alten Griechenland erblickte und für die Zukunft wieder erhoffte.

Hyperions Le­bens­ge­schich­te ist Hölderlins li­te­ra­ri­sche Anklage gegen das spieß­bür­ger­li­che, dumpfe und ma­te­ria­lis­ti­sche Deutschland seiner Zeit, das ihm als Künstler und Idealisten kaum Luft zum Atmen ließ.


Literatur:

Hyperion

Hyperion



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