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Samstag, 16. März 2024

»An die Deutschen« von Friedrich Hölderlin


»Spottet ja nicht des Kinds, wenn es mit Peitsch' und Sporn
Auf dem Rosse von Holz mutig und groß sich dünkt,
Denn, ihr Deutschen, auch ihr seid
Tatenarm und gedankenvoll.

Oder kömmt, wie der Strahl aus dem Gewölke kömmt,
Aus Gedanken die Tat? Leben die Bücher bald?
O ihr Lieben, so nimmt mich,
Daß ich büße die Lästerung.«



Hölderlin reflektiert in diesem Gedicht die Position des deutschen Idealismus um 1800, denn auch dieser war tatenarm und gedankenvoll.


Samstag, 10. Juli 2021

»Abendphantasie« von Friedrich Hölderlin

Vor seiner Hütte ruhig im Schatten sitzt
Der Pflüger, dem Genügsamen raucht sein Herd.
Gastfreundlich tönt dem Wanderer im
Friedlichen Dorfe die Abendglocke.

Wohl kehren izt die Schiffer zum Hafen auch,
In fernen Städten, fröhlich verrauscht des Markts
Geschäft´ger Lärm; in stiller Laube
Glänzt das gesellige Mahl den Freunden.

Wohin denn ich? Es leben die Sterblichen
Von Lohn und Arbeit; wechselnd in Müh´ und Ruh
Ist alles freudig; warum schläft denn
Nimmer nur mir in der Brust der Stachel?

Am Abendhimmel blühet ein Frühling auf;
Unzählig blühn die Rosen und ruhig scheint
Die goldne Welt; o dorthin nimmt mich,
Purpurne Wolken! und möge droben

In Licht und Luft zerrinnen mir Lieb´und Leid!-
Doch, wie verscheucht von töriger Bitte, flieht
Der Zauber; dunkel wirds und einsam
Unter dem Himmel, wie immer, bin ich -

Komm du nun, sanfter Schlummer! zuviel begehrt
Das Herz; doch endlich, Jugend! verglühst du ja,
Du ruhelose, träumerische!
Friedliche und heiter ist dann das Alter.

»Abendphantasie« von Friedrich Hölderlin

Samstag, 19. Juni 2021

Friedrich Hölderlin und seine Dichtkunst


Kaum ein anderer Dichter fordert die Künste und seine Leserschaft bis heute so heraus wie er. Mit seinen kühnen Sprachexperimenten, die keiner Strömung, weder der Klassik noch der Romantik, zuzuordnen sind, führte er die Dichtung in die Moderne.

Die Gedichte Hölderlins zeugen von großer Sprache, hohem Gedenken und unerfüllter Sehnsucht. So dichtete er als graecomanischer Deutscher Hymnen etwa über den Neckar, den Rhein oder den Main und träumte derweil des Olymps oder griechischer Gestade am Ister. Tief unzufrieden mit der unpoetischen, amusischen Gesinnung seiner deutschen Geschwister ("So kam ich unter die Deutschen. (...) Barbaren von Alters her, durch Fleiß und Wissenschaft barbarischer geworden, tiefunfähig jedes göttlichen Gefühls, verdorben bis ins Mark") träumte er sich lieber als hellenischer Musenjünger im Gedankenaustausch mit einem nur in seiner Phantasie existierenden Freunde ("Bellarmin").

Hölderlin gilt bis heute als rätselhaft-unverstandener Dichter, in dessen pathetische Verse man immer schon viel hineindeuten konnte.



Hölderlin gilt als sehr begabter Dichter. Seine feierlich-ernsten, manchmal schwermütigen Gedichte in altgriechischen Vers- und Strophenformen sind von einer hohen sprachlichen Schönheit. Ein hoher Ton, ein hymnischer oder elegischer Weltzugang, war seinen Dichtungen zutiefst eigen.

„Er wollte ein Priester der Poesie sein!“
Friedrich Hölderlin war ein Dichter der sich den hohen Formen der Dichtkunst zuwandte, die da sind: Hymne, Ode, Elegien.

Hölderlins Lyrik ist zum Teil und nicht zuletzt in ihren formalen Eigenschaften eine Lyrik der Schwerelosigkeit, die die Luft als ihr eigenes Element beschwört. Nicht von ungefähr ist der Äther der kosmologische
Begriff, der am häufigsten in den Texten des Dichters vorkommt.

1805 erschien der Zyklus "Nachtgesänge", in dem auch das berühmte, mit Blick auf sein weiteres Schicksal prophetisch anmutende Gedicht "Hälfte des Lebens" enthalten ist. In der zweiten Strophe heißt es: "Weh mir, wo nehm’ ich, wenn / Es Winter ist, die Blumen und wo/ Den Sonnenschein".

Im Januar 1811 schrieb er:

»Das angenehme dieser Welt hab ich genossen
Die Jugendstunden sind wie lang! wie lang! verflossen.
April und Mai und Julius sind ferne.
Ich bin nichts mehr, ich lebe nicht mehr gerne.«


Seine Gedichte sind schwer zu lesen, sind aber voller Enthusiasmus geschrieben.
z.B. aus der »Hymne an die Göttin der Harmonie«.

»Geister! Brüder! unser Bund erglühe
von der Liebe göttlicher Magie.
Unbegrenzte reine Liebe ziehe
freundlich uns zur hohen Harmonie.
Sichtbar adle sie die treuen Söhne,
schaff in ihnen Ruhe, Mut und Tat,
und der heiligen Entzückung Träne,
wenn Urania der Seele naht.«

Samstag, 20. Juni 2020

»Hyperion oder der Eremit in Griechenland« (E)


Die schönste Dichtung deutscher Sprache ist Hölderlins »Hyperion« vielfach genannt worden, ein unübertroffenes Meisterwerk des deutschen Idealismus, neben dem »Faust« der Inbegriff klassischer deutschsprachiger Literatur. Seine Wirkung besonders auf die Literatur des 20. Jahrhunderts ist einmalig. Ein lyrisch-elegischer Roman von Liebe und Sehnsucht, getragen von der Überzeugung, daß die unausgesetzte Suche nach Freiheit und Utopie Sinn macht.

Der Dichter Friedrich Hölderlin hat in seiner Poesie in der Antike geschwelgt.
Hölderlin sehnte sich nach einer Harmonie zwischen Mensch und Natur, wie er sie in einem idealisierten Bild des alten Griechenland erblickte und für die Zukunft wieder erhoffte.

Held auf gefährlicher Reise

„Es ist eine bessere Zeit, die suchst du, eine schönere Welt“: So beschreibt im Roman Hyperions geliebte Gefährtin Diotima die selbst gewählte Mission des jungen Mannes. Der Satz passt auf Hölderlin selbst, der seinen Helden nicht, wie Goethe seinen »Wilhelm Meister«, auf den Bildungsweg der Selbstreflexion, sondern auf gefährliche Reise schickt. Der an seiner Gegenwart verzweifelnde, schnell entflammte Hyperion zieht in den Freiheitskampf und kehrt, an Geist und Seele versehrt, wieder heim.

Hölderlin verlegt die Handlung nach Griechenland, zeichnet in Wirklichkeit aber das Schicksal seiner eigenen Generation nach, die zuerst begeistert der Französischen Revolution folgt, sich dann aber von deren Gräueltaten entsetzt abwendet. Hyperions Lebensgeschichte ist Hölderlins literarische Anklage gegen das spießbürgerliche, dumpfe und materialistische Deutschland seiner Zeit, das ihm als Künstler und Idealisten kaum Luft zum Atmen ließ.

Seine Sprache war schon damals gewöhnungsbedürftig und ist es heute erst recht: Da „säuseln holdselige Tage“, es neigen sich „lispelnde Bäume“ und es „gährt das Leben“. Doch die Fragen des lange verkannten Genies sind nicht aus der Welt: Wie kann der Mensch seine Vereinzelung überwinden? Auf welchem Weg eine bessere Welt schaffen? Und wie im Einklang mit der Natur leben? Das antike Griechenland mag heute als Vorbild ausgedient haben, aber die Suche nach Antworten auf diese Fragen bleibt aktuell.

Der Plan zu einem Roman, der einen freiheitsliebenden Griechen namens »Hyperion« zum Helden hat, ist schon aus der Zeit im Tübinger Stift 1792 belegt. Über die folgenden Jahre hinweg entwirft Hölderlin mehrere Fragmente, versucht eine Fassung in Versen und kehrt schließlich wieder zur Prosa-Form zurück. Friedrich Schiller fördert den Fortgang der Arbeit, indem er in seiner Zeitschrift "Thalia" Briefe aus dem Hyperion veröffentlicht und schließlich sogar einen Vertrag mit dem Tübinger Verleger Cotta vermittelt: 100 Gulden soll der junge Nachwuchsdichter erhalten, jedoch nicht, wie von Hölderlin erhofft, für einen Band, sondern für das ganze Werk. Gewiss nicht viel, gemessen an dem, was Schiller für sich selbst bei Cotta herauszuhandeln vermochte.

Zum Vergleich noch ein paar Zahlen: Für Hölderlin entsprach dieses Honorar einem Vierteljahresgehalt. Er erhielt jährlich 400 Gulden bei freier Kost und Logis, ein Offizier, der für Uniform und Pferd selbst aufkommen musste, 150 Gulden, ein Frankfurter Schullehrer lebte mehr schlecht als recht von 75 Gulden. Schiller erhält zur gleichen Zeit von Cotta pro Bogen (16 Seiten) etwa 16 Gulden. Hölderlin hatte sich in Jena ausgerechnet, dass er "von 4 Bogen (...) bequem ein halbes Jahr leben" könnte (VI, 157), wenn Schiller ihn als Mitarbeiter seiner Zeitschrift "Horen" heranzöge, was dieser aber leider nicht tat. Genau genommen erhielt Hölderlin nur 97 Gulden, denn die 11 Freiexemplare wurden abgezogen. Verkauft wurde der Band, also der halbe Hyperion, für 10 Groschen (ein Gulden hatte 24 Groschen). (Anmerkung 2) Doch nun zum Roman: Schauplatz ist das Griechenland des ausgehenden 18. Jahrhunderts, jetzt unter türkischer Fremdherrschaft und nur noch ein kläglicher Schatten seiner einstigen Größe. Die Handlung des Hyperion gestaltet sich recht ereignisreich: Der Leser erlebt eine vorbildliche Lehrer-Schüler-Beziehung (Hyperion - Adamas), eine echte und wechselvolle Männerfreundschaft (Hyperion - Alabanda), eine gefühlvolle Liebesbeziehung (Hyperion - Diotima), eine wilde Verschwörerbande (Bund der Nemesis), einen fehlgeschlagenen griechischen Befreiungskrieg, schändliche Plünderungen, eine türkisch-russische Seeschlacht, ein Vater-Sohn-Zerwürfnis, Selbstmordpläne, Abschiedsbriefe, Tod der Geliebten und tragisches Zuspätkommen, schließlich zielloses Herumirren in der Welt, unter anderem auch in Deutschland. Hyperion selbst ist ein junger Grieche, welcher es sich in den Kopf gesetzt hat, sein Vaterland vom türkischen Joch zu befreien und sich davon auch nicht durch den Rat seiner wesentlich besonneneren Geliebten abbringen lässt. Zum Volksbefreier sei er nicht geeignet, hält Diotima ihm vor, wohl aber zum Volkserzieher. Vorher aber solle er in die Welt hinaus gehen, ins Ausland, um dort seinen Geist zu bilden und so zum "Erzieher unsers Volkes" gereift zurückzukehren. Die Befreiungstat scheitert an der Disziplinlosigkeit seiner Männer. "Es war ein außerordentliches Projekt, durch eine Räuberbande mein Elysium zu pflanzen", so klagt Hyperion und beschließt, in der nächsten Seeschlacht gegen die Türken auf russischer Seite unterzugehen. Er wird gerettet, die Lebensgeister kehren zurück, er erinnert sich auch wieder seiner geliebten Diotima, entwirft noch Pläne einer gemeinsamen Zukunft außerhalb Griechenlands, er schlägt ihr vor in den "Alpen oder Pyrenäen" ein "Leben in goldener Mittelmäßigkeit" zu beginnen, aber zu spät. Diese ist schon an Schwermut gestorben, nicht ohne ihm zuletzt noch Erfüllung in "dichterischen Tagen" zu prophezeien. So irrt Hyperion rastlos und ohne Lebenssinn in der Welt herum, bis er schließlich "unter die Deutschen" kommt, wo er als Fremdling ankommt und als Fremder wieder geht. Seitdem lebt er als Eremit in den Bergen Griechenlands, sein Geschick in Briefen rekapitulierend, nur gelegentlich getröstet und begeistert von dem Erlebnis der alle Gegensätze vereinenden und aussöhnenden Kraft der Natur. So ereignisreich die Fabel des »Hyperion« auch sein mag, im Zentrum stehen die Erinnerungen des Eremiten, seine rückblickenden Betrachtungen, geschichtsphilosophische Reflexionen über die Trefflichkeit des klassischen Athenervolkes und die Kläglichkeit der heutigen Welt, Gedanken über die richtige Erziehung des Menschen zum Menschen. Das Wichtigste wird dem Leser im Dialog der Hauptfiguren, in deren "Seelengesprächen" vor Augen gebracht, in Abschnitten von wunderschöner Intensität und Gedankentiefe, aber auch von absichtsvoll-idealistischer Realitätsferne.

Bei der Lektüre des »Hyperion« sollte man sich immer wieder vor Augen führen, dass hier ein junger Mann von Mitte Zwanzig schreibt, ein empfindsamer Schöngeist, ein begeisterter Idealist und unglücklicher Liebhaber. Hyperion, der griechische Jüngling, ist ein unausgeglichener Schwarmgeist, der schon in jungen Jahren die Kluft zwischen seinen Idealen und der erfahrenen Wirklichkeit tief empfindet und erleidet. Und "... mitten in (s)einen finsteren Tagen" erscheint ihm "das Göttliche", das Eine und Alles, dessen Name Schönheit ist und - Diotima heißt. In ihrer Gegenwart erlebt er höchstes Glück, den Himmel auf Erden, er, dessen Gemüt doch voller Widersprüche, "voll blutender Erinnerungen" und voll "wilder Trauer" ist.

In einem ihrer "Seelengespräche" über Freundschaft und Liebe erkennt Diotima rasch, woran Hyperion leidet: Es ist dieses grenzenlose Verlangen nach "einer besseren Zeit", die rückhaltlose Hingabe an das Idealische, Vollkommene, folglich auch das tiefe Leiden an dem "Verlust von allen goldenen Jahrhunderten". Dieses Verständnis von Hyperions Leiden und Idealismus macht ihm Diotima zur Seelenverwandten und Seelentrösterin: Diotima, die Pflegerin der kranken Seele, die Heilerin des unausgeglichenen Gemütes, die Besänftigerin der wilden Leidenschaften. Diotima ist die Verkörperung von innerer Ausgeglichenheit, seelischer Harmonie, kurz: ein Wesen der "goldenen Mitte". Und weil das, was für die menschliche Seele wahr und gut ist, nach klassischem Verständnis auch schön sein muss, macht Hyperion seine Diotima zum Zentrum eines Kultes der Schönheit und der Liebe. Dem Liebhaber wird alles heilig, was an das Geliebte mahnt, die Orte der ersten Begegnung ebenso wie die Worte, die gewechselt werden.

Wie sein Ziehvater Schiller, wie sein Studiengefährte Hegel, so sah Hölderlin das Grundübel der neuen Zeit in der Reduzierung des Menschen auf eine bestimmte Tätigkeit, einen nützlichen Zweck, ein Funktionsteil im seelenlosen Räderwerk der Staatsmaschinerie. Heute würden wir das mit einem Wort bezeichnen: Arbeitsteilung. Deren Effizienz ist unbestritten, deren Seelenlosigkeit bewirkt aber tiefes Leid, welches den Menschen selbst nur selten bewusst ist. Einzig der Dichter, ausgestattet mit jenem empfindsamen Gemüt, das Hölderlin den Genius nennt, weiß um den Verlust jener Ganzheitlichkeit, die einst den Menschen des klassischen Griechenlands ausgezeichnet haben soll. Die Dichter jedoch, namentlich jene in Deutschland, werden behandelt "wie Fremdlinge im eigenen Hause".

So steht es im letzten Brief Hyperions, wo er sich in gewaltigen Worten über die Deutschen beklagt: Sie leben in einem System voller Unterscheidungen und Trennungen, in einer mechanischen Welt der Arbeitsteilung und Funktionalität, nicht aber im Geiste der Harmonie, des Ausgleichs und der Versöhnung der Gegensätze. In den Worten Hyperions klingt das so:

"... ich kann kein Volk mir denken, das zerißner wäre, wie die Deutschen. Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Priester, aber keine Menschen, Herrn und Knechte, Jungenudn gesetzte Leute, aber keine Menschen - ist das nicht wie ein Schlachtfeld, wo Hände und Arme und Gleider zerstückelt untereinander liegen ... ? Ein jeder treibt das Seine, wirst du sagen, und ich sage es auch. Nur muß er es mit ganzer Seele treiben, muß nicht jede Kraft in sich ersticken, wenn sie nicht gerade sich zu seinem Titel paßt ... und ist er in ein Fach gedrückt, wo gar der Geist nicht leben darf, so stoß ers mit Verachtung weg und lerne pflügen!"



  • »Hyperion« ist der einzige Roman des berühmten Lyrikers Friedrich Hölderlin.

    Inhalt: Der Grieche Hyperion erzählt seinem deutschen Brieffreund Bellarmin in 60 Briefen sein Leben. Er erinnert sich an einen treuen Begleiter und an seine große Liebe Diotima und daran, wie er beide verlor. Nach der Teilnahme an einem Aufstand gegen die Osmanen hat Hyperion seine Hoffnung auf die Wie derauferstehung des antiken Griechenlands begraben und sich als Einsiedler in die Natur zurückgezogen.

    Der Roman handelt von der Sehnsucht nach einer anderen, von platonischen Idealen inspirierten Welt.
    »Hyperion« scheitert mit seiner Vision, überwindet aber sein Schicksal mithilfe der Dichtung.
    Die Handlung spielt vor dem Hintergrund des griechischen Aufstands gegen die Türken im Jahr 1770.
    Zugleich lässt sich Hyperion als Gleichnis für die Nachwehen der Französischen Revolution lesen.


Literatur:

Hyperion

Hyperion


»Hyperion« von Friedrich Hölderlin


Friedrich Hölderlin


»Hyperion« ist ein Briefroman mit dem Titel »Hyperion oder Der Eremit in Griechenland« von Friedrich Hölderlin. Der Name »Hyperion« bedeutet „der oben Gehende“.

»Hyperion« erschien in zwei Bänden 1797 und 1799. Es ist ein lyrischer Briefroman, dessen äußere Handlung gegenüber den inneren Erfahrungen nur untergeordnete Bedeutung hat und dessen strömender Gefühlsreichtum in sprachliche Klangfülle gebannt ist.


Hyperions Le­bens­ge­schich­te ist Hölderlins li­te­ra­ri­sche Anklage gegen das spieß­bür­ger­li­che, dumpfe und ma­te­ria­lis­ti­sche Deutschland seiner Zeit, das ihm als Künstler und Idealisten kaum Luft zum Atmen ließ.

Hyperion, der rückschauend seinem deutschen Freund Bellarmin von seinem Leben berichtet, wächst in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Südgriechenland im Frieden der Natur auf. Sein weiser Lehrer Adamas führt ihn in die Heroenwelt des Plutarch, dann in das Zauberland der griechischen Götter und begeistert ihn für die griechische Vergangenheit. Sein tatkräftiger Freund Alabanda weiht ihn in die Pläne zur Befreiung Griechenlands ein.

In Kalaurea lernt er Diotima kennen. Sie gibt ihm die Kraft zur Tat. Er nimmt im Jahre 1770 am Befreiungskrieg der Griechen gegen die Türken teil, dem Osmanischen Krieg. Die Rohheit des Krieges stößt ihn jedoch ab. Er wird schwer verwundet, Alabanda muss fliehen, und Diotima stirbt. Hyperion geht nach Deutschland, aber das Leben dort wird ihm unerträglich. Deshalb kehrt er nach Griechenland zurück und lebt dort als Eremit. In seiner Einsamkeit findet er in der Schönheit der Landschaft und Natur zu sich selbst und überwindet die Tragik, die in diesem Alleinsein liegt.

Hyperion lernt den "herrlichen" Fremdling Alabanda und durch ihn den Krieg kennen und seine Folgen, eine emotionale Liebesbeziehung zu Diotima und allerlei Wirren. Kurz, ein Leben, von der Jugend und Bildung zu Männerfreundschaft, Liebe zu einer Frau, Wirren von Krieg und Gesellschaft. Ein pralles Lebensgemälde mit prallen Erfahrungen und Erkenntnissen und schönen Sätzen, die seinerzeit Wenige begriffen.

"Wir sind‘s, wir! Wir haben unsere Lust daran, uns in die Nacht des Unbekannten, in die Fremde irgendeiner andern Welt zu stürzen und wär es möglich, wir verließen der Sonne Gebiet und stürmten über des Irrsterns Grenzen hinaus."

Aus der Rückschau korrespondiert der Titelheld mit einem gewissen "Bellarmin" über Ereignisse in Griechenland zur Zeit der Griechisch-Türkischen Kriege. Eine große, rückwärtsgewandte Sehnsucht nach einem verlorenen Ideal, ist Hyperion, dem literarischen Helden, zu Eigen, die das "Geschehen" in einem zentralen Konflikt leitet. Diotima und Alabander inszeniert Hölderlin als Kontrastfiguren, an denen sich Hyperion aufreizt. Da ist zum einen die Inbrunst an die Geliebte und Rückzug in das private Glück des Idylls versus militanter Einsatz für eine bessere Welt im Bund mit dem besten Freund.

Die Disharmonien und Kontroversen führen zur Auslöschung der Kontrastfiguren, so dass schließlich der desillusionierte Hyperion allein überlebt und in Deutschland unter all den "Barbaren von alters her (...), tief unfähig jedes göttlichen Gefühls, verdorben bis ins Mark zum Glück der heiligen Grazien (...), dumpf und harmonielos wie die Scherben eines weggeworfenen Gefäßes" sein Credo resignativ gebrochen zu Papier bringen kann.

Der Roman ist ein Selbstbekenntnis, das trotz mancher jugendlich-schwärmerischen Züge Hölderlins Lebensschau und Seelentum vergegenwärtigt. Die Natur, die in den Schlussbriefen hymnisch gefeiert wird, wird verehrt als der gotterfüllte Raum. In der Schilderung Griechenlands durchdringen sich Vergangenheit und Zukunft, Traum und Verheißung.


Literatur:

Hyperion

Hyperion von Friedrich Hölderlin

Hölderlin