Samstag, 20. Juli 2024

»Hyperion« - ein Meisterwerk der deutschen Sprache?

Hyperion

Hyperion

"Wo ein Volk das Schöne liebt, wo es den Genius in seinen Künstlern ehrt, da weht wie Lebensluft ein allgemeiner Geist, da öffnet sich der scheue Sinn, der Eigendünkel schmilzt, und fromm und groß sind alle Herzen, und Helden gebiert die Begeisterung."

Hölderlins »Hyperion« entfacht wahrhaftig eine freudige Erregung, ob der wunderschönen Sprache und der tiefen Reflexionen über die Frage nach der Selbstverwirklichung im Spannungsverhältnis von Ideal und Wirklichkeit.

"Wie die Zephyre irrte mein Geist von Schönheit zu Schönheit selig umher. (...) Und all dies war die Sprache eines Wohlseins."

"Die Sprache ist ein großer Überfluss. Das Beste bleibt doch immer für sich und ruht in seiner Tiefe wie die Perle im Grunde des Meers", schreibt Hyperion an Bellarmin. Friedrich Hölderlin macht diese Perle seinem Leser zugängig. Man muss gar nicht so tief nach ihr tauchen.

"Es ist ein köstlich Wohlgefühl in uns, wenn so das Innere an seinem Stoffe sich stärkt, sich unterscheidet und getreuer anknüpft und unser Geist allmählich waffenfähig wird."

Friedrich - mögest du in Frieden ruhen, zusammen mit Diotima im Olymp und dort finden, was dir im Leben verwehrt geblieben ist

Sonntag, 14. Juli 2024

Friedrich Hölderlin und die Französische Revolution


Hölderlin war zutiefst inspiriert von den humanistischen Gedanken der Französischen Revolution und ihren Idealen einer freien und gleichen Gesellschaft, die er sich auch für Deutschland wünschte. Hölderlin war ein glühender Republikaner, für den die Französische Revolution, die er mit 19 erlebte, ein Erweckungserlebnis war, das für sein ganzes Leben bestimmend blieb.

Die durch das Datum der Französischen Revolution entfachte Begeisterung klang bei Hölderlin im Jahr 1797 zunächst so: "Ich glaube an eine künftige Revolution der Gesinnungen und Vorstellungsarten, die alles bisherige schaamroth machen wird." (Brief an J.G. Ebel vom 10. Jan. 1797).

Seine anfängliche Begeisterung für die Französische Revolution wich jedoch nach drei Jahren der Ernüchterung. Im November 1799 sprach Hölderlin (wieder in einem Brief an Ebel) von "der allmächtigen alles beherrschenden Noth" und endet mit: "Glüklich sind wir dann, wenn uns noch eine andere Hofnung bleibt! Wie finden Sie denn die neue Generation, in der Welt, die Sie umgiebt?"

Samstag, 13. Juli 2024

»Der Sommer« von Friedrich Hölderlin



Das Erntefeld erscheint, auf Höhen schimmert
Der hellen Wolke Pracht, indes am weiten Himmel
In stiller Nacht die Zahl der Sterne flimmert,
Groß ist und weit von Wolken das Gewimmel.

Die Pfade gehn entfernter hin, der Menschen Leben,
Es zeiget sich auf Meeren unverborgen,
Der Sonne Tag ist zu der Menschen Streben
Ein hohes Bild, und golden glänzt der Morgen.

Mit neuen Farben ist geschmückt der Gärten Breite,
Der Mensch verwundert sich, daß sein Bemühn gelinget,
Was er mit Tugend schafft, und was er hoch vollbringet,
Es steht mit der Vergangenheit in prächtigem Geleite.

»Der Sommer« von Friedrich Hölderlin


Video:

Friedrich Hölderlin: Der Sommer - Youtube

Samstag, 22. Juni 2024

Hölderlin und das idealisierte antike Griechenland


Dort, wo die Heimat keine Hoffnung geben kann, muss die Antike als Ersatz für das Pathos dienen. Hölderlin schwärmte auf dem Höhepunkt seines Schaffens von einer Rückkehr in die Antike, in der Menschen mit der Natur eine Einheit bilden. Griechenland war geradezu der Gegenentwurf der engen bürgerlichen Welt, in der Hölderlin sein Dasein fristete.

Griechenland, das Land der Hellenen - wie die Griechen im Altertum und in der Neuzeit sich selbst nannten - das Land der Sonne, des Homer und der Odysseus.


Hölderlin brauchte Griechenland nicht als Fluchtort, sondern als Imaginationsraum, an dem er aufzeigen kann, welche entscheidenden Seinsqualitäten im Lauf des Geschichts- und Kulturprozesses verloren gingen und was die Zukunft wiederherstellen muss. Hölderlin brauchte Griechenland als Projektionsfläche für seine ideale Vorstellung des Menschentums.

Zu Füßen des Olymp wurde von dne Griechen eine ganze Götterwelt erschaffen. Die Götter erfüllten die Welt mit Sinn.

"Daß Hölderlin trotz seiner Einsamkeit sein hellenisches Ideal durchhielt, ohne Kompromiß und ohne böse oder stumpfe Verzweiflung, mutig und selig trotz der Verbannung aus seiner inneren Heimat, glühend inmitten des Frostes und der Öde, königlich und heilig trotz der deutschen Hauslehrermisere: das macht ihn zu einem unserer heroischen Menschen."

Friedrich Gundolf, Literaturwissenschaftler (1880-1931)


Weblinks:

Griechenland - Der Garten der Götter - www.3sat.de

Schöpfungsmythen der Menschheit - www.mdr.de/wissen

»Hyperions Schicksalslied« von Friedrich Hölderlin


Hyperions Schicksalslied

Ihr wandelt droben im Licht
Auf weichem Boden, selige Genien!
Glanzende Götterlüfte
Rühren euch leicht,
Wie die Finger der Künstlerin
Heilige Saiten.

Schicksallos, wie der schlafende
Säugling, atmen die Himmlischen;
Keusch bewahrt
In bescheidener Knospe,
Blühet ewig
Ihnen der Geist,
Und die seligen Augen
Blicken in stiller
Ewiger Klarheit.

Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer

Stunde zur andern,
Wie Wasser Voll Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahr lang ins Ungewisse hinab.


Hyperion, der rückschauend seinem deutschen Freund Bellarmin von seinem Leben berichtet, wächst in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Südgriechenland im Frieden der Natur auf. Sein weiser Lehrer Adamas führt ihn in die Heroenwelt des Plutarch, dann in das Zauberland der griechischen Götter und begeistert ihn für die griechische Vergangenheit.

Hölderlin drängte es aus der Enge der bürgerlichen Konvention in die ferne Welt hinaus. Er sehnte sich nach einer Harmonie zwischen Mensch und Natur, wie er sie in einem idealisierten Bild des alten Griechenland erblickte und für die Zukunft wieder erhoffte.

Hyperions Le­bens­ge­schich­te ist Hölderlins li­te­ra­ri­sche Anklage gegen das spieß­bür­ger­li­che, dumpfe und ma­te­ria­lis­ti­sche Deutschland seiner Zeit, das ihm als Künstler und Idealisten kaum Luft zum Atmen ließ.


Literatur:

Hyperion

Hyperion



Samstag, 15. Juni 2024

»Der Einzige« von Friedrich Hölderlin


Was ist es, das
An die alten seligen Küsten
Mich fesselt, daß ich mehr noch
Sie liebe, als mein Vaterland?
Denn wie in himmlischer
Gefangenschaft gebückt, dem Tag nach sprechend
Dort bin ich, wo, wie Steine sagen, Apollo ging,
In Königsgestalt,
Und zu unschuldigen Jünglingen sich
Herabließ Zevs, und Söhn in heiliger Art
Und Töchter zeugte
Stumm weilend unter den Menschen.

Der hohen Gedanken aber
Sind dennoch viele
Gekommen aus des Vaters Haupt
Und große Seelen
Von ihm zu Menschen gekommen.
Und gehöret hab ich
Von Elis und Olympia, bin
Gestanden immerdar, an Quellen, auf dem Parnaß
Und über Bergen des Isthmus
Und drüben auch
Bei Smyrna und hinab
Bei Ephesos bin ich gegangen.

Viel hab ich Schönes gesehn
Und gesungen Gottes Bild
Hab ich, das lebet unter
Den Menschen. Denn sehr, dem Raum gleich, ist
Das Himmlische reichlich in
Der Jugend zählbar, aber dennoch,
Ihr alten Götter und all
Ihr tapfern Söhne der Götter,
Noch einen such ich, den
Ich liebe unter euch,
Wo ihr den letzten eures Geschlechts,
Des Hauses Kleinod mir
Dem fremden Gaste bewahret.

Mein Meister und Herr!
O du, mein Lehrer!
Was bist du ferne
Geblieben? und da
Ich sahe, mitten, unter den Geistern, den Alten
Die Helden und
Die Götter, warum bliebest
Du aus? Und jetzt ist voll
Von Trauern meine Seele
Als eifertet, ihr Himmlischen, selbst,
Daß, dien ich einem, mir
Das andere fehlet.

Ich weiß es aber, eigene Schuld
Ists, denn zu sehr,
O Christus! häng ich an dir,
Wiewohl Herakles Bruder
Und kühn bekenn ich, du
Bist Bruder auch des Eviers, der einsichtlich, vor Alters
Die verdrossene Irre gerichtet,
Der Erde Gott, und beschieden
Die Seele dem Tier, das lebend
Vom eigenen Hunger schweift' und der Erde nach ging,
Aber rechte Wege gebot er mit Einem Mal und Orte,
Die Sachen auch bestellt er von jedem.

Es hindert aber eine Scham
Mich, dir zu vergleichen
Die weltlichen Männer. Und freilich weiß
Ich, der dich zeugte, dein Vater ist
Derselbe. Nämlich Christus ist ja auch allein
Gestanden unter sichtbarem Himmel und Gestirn, sichtbar
Freiwaltendem über das Eingesetzte, mit Erlaubnis von Gott,
Und die Sünden der Welt, die Unverständlichkeit
Der Kenntnisse nämlich, wenn Beständiges das Geschäftige überwächst
Der Menschen, und der Mut des Gestirns war ob ihm. Nämlich immer jauchzet die Welt
Hinweg von dieser Erde, daß sie die
Entblößet; wo das Menschliche sie nicht hält. Es bleibet aber eine Spur
Doch eines Wortes; die ein Mann erhaschet. Der Ort war aber

Die Wüste. So sind jene sich gleich. Voll Freuden, reichlich. Herrlich grünet
Ein Kleeblatt. Ungestalt wär, um des Geistes willen, dieses, dürfte von solchen
Nicht sagen, gelehrt im Wissen einer schlechten Gebets, daß sie
Wie Feldherrn mir, Heroen sind. Des dürfen die Sterblichen wegen dem, weil
Ohne Halt verstandlos Gott ist. Aber wie auf Wagen
Demütige mit Gewalt
Des Tages oder
Mit Stimmen erscheinet Gott als
Natur von außen. Mittelbar
In heiligen Schriften. Himmlische sind
Und Menschen auf Erden beieinander die ganze Zeit. Ein großer Mann und ähnlich eine große Seele
Wenn gleich im Himmel.

Begehrt zu einem auf Erden. Immerdar
Bleibt dies, daß immergekettet alltag ganz ist
Die Welt. Oft aber scheint
Ein Großer nicht zusammenzutaugen
Zu Großem. Alle Tage stehn die aber, als an einem Abgrund einer
Neben dem andern. Jene drei sind aber
Das, daß sie unter der Sonne
Die Jäger der Jagd sind oder
Ein Ackersmann, der atmend von der Arbeit
Sein Haupt entblößet, oder Bettler. Schön
Und lieblich ist es zu vergleichen. Wohl tut
Die Erde. Zu kühlen.

»Der Einzige« von Friedrich Hölderlin

Hölderlin - der Griechenland-Enthusiast


Der Griechenland-Enthusiast Hölderlin feierte den Freiheitskampf der Griechen gegen das Osmanische Reich, zu lesen in seinem einzigen Roman, »Hyperion« – ebenso wie die Desillusionierung seines Helden über die enthemmten Bluttaten aufseiten der Freiheitskämpfer, worin sich Hölderlins Schauder über der Terror in Frankreich ausdrückte. Am Boden zerstört kam er, wie es im Roman heißt, zurück aus Griechenland, wieder „unter die Deutschen“.

Der Hintergrund für Hölderlins Griechenland Enthusiasmus war der Fr